Die Geschichte der INSM beginnt kurz nach dem Amtsantritt der Regierung Schröder im Jahr 1999. Umfragen des Instituts für Demoskopie Allensbach hatten ergeben, dass die Mehrheit der Bevölkerung zur umfassenden sozialstaatlichen Sicherung tendierte und Reformen der sozialen Sicherungssysteme ausgesprochen skeptisch gegenüberstand. Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall reagierte: Eine Tochterfirma – berolino.pr – wurde gegründet und mit einem Budget von 20 Millionen D-Mark jährlich ausgestattet um die Einstellung der Öffentlichkeit zu marktwirtschaftlichen Reformen zu verändern. Die INSM selbst ist das Ergebnis der darauf folgenden Ausschreibung. Die Agentur Scholz & Friends entwickelte das Konzept und begleitet seitdem als leitende Agentur die Kampagne. Der Geschäftsführer der Agentur, Klaus Dittko, fasste die Aufgabe so zusammen: „Wie verändert man die Einstellung zu unserer Wirtschafts- und Sozialordnung?“
Der von Scholz & Friends ersonnene Aufbau der Initiative ist hocheffektiv und genial einfach. Der eigentliche Kern der INSM besteht aus einem Büro mit nur acht festen sowie einigen freien Mitarbeitern, ist somit straff organisiert. Hinzu kommen je nach Aufgabe weitere freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Eine Mitgliedschaft ist nicht vorgesehen. Allerdings wurde im Juni 2005 ein gemeinnütziger Förderverein gegründet, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, „das Verständnis der Bürger für wirtschaftliche Zusammenhänge zu stärken.“ Die Gründung dieses Vereins läßt vermuten, dass er den Anstrich von Gemeinnützigkeit, den die INSM ihren Aktivitäten gerne geben möchte, verstärken soll. Wichtigster Partner ist das von den Arbeitgeberverbänden finanzierte „Institut der Deutschen Wirtschaft“ in Köln, mit dem die INSM unter einem Dach in Köln logiert. Das Institut der Deutschen Wirtschaft hat einen eigenen Verlag, den Instituts Verlag. Dieser Verlag organisiert nicht nur viele Publikation en der INSM, sondern ist auch Inhaber der Agentur berolino.pr, die die Initiative politisch und strategisch-kommunikativ lenkt.
Das Institut wird getragen von etwa 35 Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbänden und 60 Fach- und Regionalverbänden. Die 300 Mitarbeiter des Instituts liefern Zahlen und Analysen und spüren Trends auf. Es at den Auftrag, marktwirtschaftliches Denken und Handeln möglichst vielen Bevölkerungsgruppen nazhe zu bringen, wobei marktwirtschaftliches Denken und Handeln natürlich im Sinne der Unternehmerverbände zu begreifen ist. Das Institut richtet sih mit seinen Analysen an Multiplikatoren, Meinungsbildner und Entscheider in Politik und Wirtschaft. Insofern ist es von seinem Auftrag nahe mit der INM verwandt. Man kann beinahe sagen, die INSM sei die Marketingabteilung des Instituts der deutschen Wirtschaft. Diese und andere Wissenschaftler werdne gebraucht, wenn es darum geht, Reputation herzustellen. Denn Aufmerksamkeit kann nur erzeugt werden, wenn hinter dem Argument auch noch wissenschaftliche Seriosität zu stecken scheint. Wissenschaftler können Begründungszusammenhänge für die Notwendigkeit marktwirtschaftlicher Reformen liefern. Sie liefern aber erst durch ihre Person und ihren Status die notwendige Aufmerksamkeit.
Zum Medien- und Öffentlichkeitskonzept der Initiative gehört der Kreis prominenter Köpfe, die ihre Inhalte wirksam auf die öffentliche Agenda setzen. Der Reigen der Köpfe teilt sich auf in Kuratoren und Botschafter, die zum Teil ehrenamtlich tätig sind. Im Vergleich zu anderen Initiativen sind hochrangige Politiker gerne gesehen.
Wenn einer dieser Multiplikatoren in den Medien eine Aussage macht, erregt das mehr Aufmerksamkeit als käme es von einem Nobody, und niemand weiß, dass die Aussagen zuvor mit der INSM abgestimmt wurden.
Presse und Medien spannt man auch noch auf andere Weise ein. So liefert man der Presse druckfertige Berichte oder dem TV fertige Filme. Dieses Vorgehen liegt im Trend des neuen PR-Journalismus, der die Grenzen zwischen Public Relation und Journalismus langsam und für das Publikum kaum wahrnehmbar verschleift. Eine Folge davon ist, dass zwischen einer journalistischen Meldung oder Recherche und absichtlich erzeugter Kommunikation nicht mehr unterschieden werden kann. Slogans, Sichtweisen und Vergleichsrechnungen werden übernommen, weil sie mediengerecht und zur Hand sind.
Inhaltlich konzentriert sich die Arbeit auf grundsätzliche Einstellungen und politische Debatten. Dazu gehört explizit keine klassische Lobbyarbeit, keine direkte Einflußnahme auf Gesetzesentwürfe: Nicht die Parlamentarier sind die Adressaten der Arbeit, sondern vielmehr Meinungsführer in der Gesellschaft. Die INSM arbeitet fast ausschließlich über die Plazierung ihrer Themen und Botschaften in den Medien. Dazu gehören auch so genannte Medienpartnerschafften, also Kooperationen, bei denen beispielsweise die INSM und eine Zeitung gemeinsam eine Diskussion zu einem aktuellen Thema veranstalten, so genannte Rankings erstellen oder Studien in Auftrag geben und vermarkten (zu nennen sind hier beispielsweise die FAZ und manager magazin, aber auch die Fuldaer Zeitung und die Zeitschrift Eltern). Gleichzeitig berichtet dann die Zeitung im Vorfeld und im Nachhinein über die Veranstaltung. Sie führt Interviews mit den Diskutanten, die gleichzeitig auch Botschafter der Initiative sind. Einige Gesprächspartner, die gegenteilige Meinungen vertreten, genügen als Feigenblatt. So gibt sich eine von Arbeitgebern finanzierte und bestimmte Öffentlichkeitsarbeit neutral – mit breiter Unterstützung der beteiligten Medien. Die Kampagne geht in jedem Fall weiter. 2005 hat der Arbeitgeberverband Gesamtmetall die Verlängerung des Budgets von nunmehr 8,8 Millionen Euro per anno für weitere fünf Jahre beschlossen.
Quellen: Rudolph Speth, Die politischen Strategien der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, Hans-Böckler-Stiftung, August 2004; Magnus-Sebastian Kutz und Sabine Nehls, Angriff der Schleichwerber, Frankfurter Rundschau vom 9. Januar 2007
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